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Gottfried Menken (*Bremen 1799 - † Bremen 1838), Maler

Angriff der Kosaken auf das Ostertor in Bremen , undatiert

Das Bild zeigt den Angriff russischer und deutscher Soldaten auf das Ostertor am 13. Oktober 1813 zur Befreiung Bremens von der französischen Belagerung. Nach den Niederlagen im Russlandfeldzug 1812/13 begannen in Deutschland die Befreiungskriege. In Bremen führte der in russischen Diensten stehende Oberst Friedrich Karl von Tettenborn mit berittenen Kosaken und Infanterie sowie mit Hilfe des deutschen Freiwilligenkorps Lützow und der Hanseatischen Legion den Feldzug an. Seine etwa 2000 Mann zählende Truppe stand einer weitaus schwächeren Schützenkompanie von 100 Mann unter Befehl des französischen Festungskommandanten Oberst Thuillier gegenüber. Tettenborn zog am 15. Oktober 1813 mit seiner Reiterei in Bremen ein, musste wenige Tage später allerdings wieder vor den Truppen des Generals Lauberdière weichen. Die Franzosen zogen endgültig am 27. Oktober 1813 ab.(1)
Im Bild ist die entscheidende Kampfhandlung der Befreiung zu sehen, ein geschicktes militärisches Wagstück, mit dem der spätere Generalmajor von Tettenborn in die Geschichte der Freiheitskriege eingegangen ist. Nach dem weitgehenden Aufrieb der französischen Truppe bei Hastedt hatten sich elf Franzosen durch das Ostertor in die Festung gerettet und die Brücke hinter sich hochgezogen. Man sieht im Mittelpunkt des Bildes unter einem dramatisch von Feuerschein und Rauchwolken überzogenen Himmel den heiß umkämpften Wallgraben vor der Stadt. Von links stürmen die russischen Reiter heran, einige sind bereits gefallen. Die Infanterie sucht Deckung in den Büschen am Wallgraben. Beide schießen aus Kleingewehren auf den Brückenkopf am gegenüberliegenden Ufer. Dort versucht das kleine Häuflein der Franzosen, dem Angriff stand zu halten. Vom Weserufer haben die Verbündeten Granaten in die Stadt geworfen. Hinten rechts am Ostertorzwinger brennt bereits die Ostertormühle und vorne rechts in Höhe der heutigen Kunsthalle steht am Wall die ehemalige Lohmühle lichterloh in Flammen. Die Details sind in sorgfältiger Feinmalerei herausgearbeitet.
Das Geschehen spielt sich wie auf einer Bühne ab. Die Reiter erscheinen vor einer Kulisse mit Bäumen und Gebäuden als Silhouetten vor dem hellen Himmel. In ihrer Mitte ragt eine zentrale Rückenfigur, vielleicht der anführende Freiherr von Tettenborn, effektvoll heraus. Die gegenläufigen Bewegungen der heranstürmenden Reiter links und der verzweifelten Gegenwehr rechts, und die bildlich entsprechenden Akzente über der Horizontlinie wie etwa das Baumpaar links und die im Feuerschein zum Himmel ragenden Windmühlenflügel rechts, verraten ein einfaches, aber wirkungsvolles Kompositionsprinzip. Der Ausgang des Geschehens bleibt im Bild unausgesprochen, ist aber durch die Vehemenz und die Überzahl der Angreifer zu vermuten. Offensichtlich setzte der Maler die gelungene Befreiung als bekannt voraus und wollte hier den dramatischen Moment festhalten, an dem der Verlauf der Schlacht und damit das Geschick der Stadt Bremen seine Wende nahm.
Gottfried Menken war zum Zeitpunkt der Befreiung 14 Jahre alt und dürfte diese mit eigenen Augen verfolgt haben. Sein erster Biograph Gottfried Thumsener berichtete 1839 im Bremischen Conversationsblatt, das Bild gebe eine authentische Schilderung von den Ereignissen am Ostertor. Gottfried Menken habe es unmittelbar nach dem Geschehen gemalt und in den Jahren 1814–1816 fertig gestellt. Thumsener hielt es für eines seiner gelungensten Werke und nannte es „in Betracht der Wahl des Gegenstandes, als in der Ausführung so glücklich gediehen, daß es nicht allein ungeteilten Beifall fand, sondern auch auf Bestellung und dringendes Verlangen noch zweimal wiederholt werden mußte.“(2) Von dem Angriff der Kosaken auf das Ostertor sind in der Tat drei Fassungen bekannt, die nur durch unterschiedliche Bildmaße voneinander abweichen. Die beiden anderen Versionen befinden sich im Focke-Museum in Bremen und in Bremer Privatbesitz.(3) Nach Thumsener zu schließen, handelt es sich bei der Fassung in der Kunsthalle um die etwas größere Wiederholung des ersten Gemäldes, das im Focke-Museum hängt.(4) Die dritte und kleinste Fassung soll wesentlich später für den Ältermann Theodor Lürmann gemalt und um ein Gegenstück, „eine Darstellung des Einzugs der Befreier in das Thor der damaligen Präfectenwohnung“ ergänzt worden sein.
Wann die Fassungen des Gemäldes Angriff der Kosaken auf das Ostertor tatsächlich entstanden, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Für die frühe Datierung sprechen Berichte, nach denen Gottfried Menken in den Lagern der Truppen gezeichnet habe und deswegen als Spion vor den Oberst Tettenborn gebracht worden sei.(5) Die Kunsthalle besitzt eine Zeichnung und eine Graphik nach Kosaken in Bremen.(6) Auch zeigen mehrere von Gottfried Menkens graphischen Blättern lagernde Kosaken in und um Bremen oder andere Geschehen am Rande der Kriegsereignisse. In seinen Gemälden behandelt er auch weitere zeitgenössische Ereignisse wie ein Kosakengefecht. Russische Reiter verfolgen Soldaten in waldigem Gelände oder, heute im Focke-Museum Bremen, den Schlittentransport des verwundeten Graf Münnich vor Bremen, Biwakierende Russen und gefangene Franzosen auf der Domsheide im Oktober 1813 sowie Kosaken vor dem Ostertor im Herbst 1813. Auch Johann Heinrich Menken hat zahlreiche Bilder mit Kosaken vor den Toren Bremens oder zu Pferde gemalt.(7)
Einige Gesichtspunkte wie etwa das jugendliche Alter des Malers, aber auch die im Gemälde historisch vereinfachte und glorifizierende Zuspitzung der Ereignisse auf die Beschießung der Brücke am Ostertor sprechen jedoch dafür, dass Menken das Geschehen im Rückblick und aus der Erinnerung gemalt hat. Dabei legte er ganz im Sinne der Historienmalerei die Befreiung Bremens von den Franzosen auf diesen künstlerisch überzeugenden dramatischen Höhepunkt fest. Vielleicht ist auch nur die vorliegende Zweitfassung später gemalt, möglicherweise ist sie sogar erst in den 1830er Jahren entstanden.
Mit seinen Bildern von den kriegerischen Ereignissen aus der Besatzungszeit Bremens begründete Gottfried Menken in Bremen ein neues Kapitel der militärischen Genremalerei. Solche Gemälde waren beim Bremer Bürgertum in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr beliebt und so malte er häufig Repliken, vielleicht auch noch weitere von diesem Sujet.

Katharina Erling

(1) Christian Ludwig Enoch Zander: Geschichte des Kriegs an der Nieder-Elbe im Jahre 1813, Lüneburg 1839, S. 245–250. S.a. Karl Herwig von Zwehl: Die Befreiung Bremens von französischer Herrschaft durch Tettenborn im Jahre 1813, in: Bremisches Jahrbuch 20, 1902, S. 173–184.
(2) [Justus Gottfried Thumsener]: Der bremische Maler Gottfried Menken, in: Bremisches Conversationsblatt Nr. 26, 31. März 1839, S. 147.
(3) Zur Fassung im Focke-Museum: 78 x 105 cm, Inv. Nr. F.0710a; zur Version in Privatbesitz vgl. Werner Vogt: Die Maler Johann Heinrich Menken (1766–1839) und Gottfried Menken (1799–1838). Ein Beitrag zur bremischen Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts, in: Bremisches Jahrbuch 33, 1975, S. 143–215, hier S. 173.
(4) Thumsener 1839 (wie Anm. 2), S. 148.
(5) Emil Waldmann: Gottfried Menkens Bild von der Befreiung Bremens, in: Bremisches Jahrbuch 34, 1933, S. 7.
(6) Die Kosaken in Bremen, 6. November 1813, Radierung koloriert, Inv. Nr. 1910/77; Zwei Kosaken im gestreckten Galopp, Zeichnung, Inv. Nr. 1951/390.
(7) S. dazu die Ausstellung historischer Gemälde aus bremischem Privatbesitz in der Kunsthalle, Kat. Ausst. Kunsthalle Bremen, Oktober 1904, Kat. Nr. 244, 246, 247, 250, 251, 252, 255.
Abmessungen
  • Objekt: 88,5 x 116 cm
Raum
nicht ausgestellt
Inventarnummer
71-1925/13
Permalink

Werkinformationen

Künstler

Gottfried Menken (*Bremen 1799 - † Bremen 1838), Maler

Werk
Titel:
Angriff der Kosaken auf das Ostertor in Bremen
Entstehungsdatum:
undatiert
Grunddaten
Abmessungen:
  • Objekt: 88,5 x 116 cm
Werktyp:
Gemälde
Technik:
Öl auf Leinwand
Erwerbsinformation:

    1925

  • Vermächtnis Oskar Wilhelm Poppe, Bremen 1925
Creditline
  • Kunsthalle Bremen - Der Kunstverein in Bremen

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nicht ausgestellt