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Hugo Körtzinger (*Lesum/Bremen 1892 - † Schnega 1967), Maler

Aus Marokko , 1931

Diese Stadtansicht zeigt mit großer Wahrscheinlichkeit ein Motiv aus Rabat-Salé, der Hauptstadt Marokkos. 1931 reiste Körtzinger auf einem Kreuzfahrtschiff des Norddeutschen Lloyd nach Nordafrika. In Marokko dürfte er in Rabat-Salé vor Anker gegangen sein. Auf dem Gemälde ist vermutlich der Blick auf die Kasbah Oudaia dargestellt, ein Tor der riesigen Festungsanlage aus dem 12. Jahrhundert, die malerisch am Steilfelsen oberhalb der Mündung des Bou Regreg an der Atlantikküste liegt. Von dieser Reise gibt es noch mehrere Bilder mit dem Titel „Marokko“(1). Ein weiteres Gemälde zeigt eine in ähnlichen Blau- und Brauntönen gehaltene Ansicht der fünf km langen Stadtmauer um Rabat aus dem 12. Jahrhundert mit den dahinterliegenden Kuppeln und Dächern der Stadt. Wieder ein anderes gibt die Sicht in entgegengesetzter Richtung von einem Turm der Stadtmauer auf das weite Meer und die am Ufer gelegenen Ausläufer Rabats wieder. Eine Zeichnung von 1931 im Besitz der Kunsthalle dürfte wohl ebenfalls in Rabat entstanden sein. Die Titel „Aus Marokko“ deuten darauf hin, dass Körtzinger seine Bilder aus Rabat ganz allgemein als Eindrücke aus dem Land verstanden wissen wollte.
Im Vordergrund des Gemäldes der Kunsthalle stehen festungsähnliche Gebäudekomplexe, die eine breit angelegte, stark verkürzte Straßenflucht säumen. Im Hintergrund wird die Straße von der hellen Stadtsilhouette mit Kuppeldächern und Hausfassaden begrenzt. Der Blick des Betrachters fällt von oben auf den zinnenbekrönten Torturm rechts mit den fensterlosen Längsmauern, auf dessen Dach ein Garten mit Palme und Sitzgelegenheiten zu erkennen ist. Zur Straße hin zieht sich entlang der Mauer eine breite Bank mit weißen Sitzkissen. Auf einem leicht ansteigenden, weitgehend brach liegenden Gelände links gegenüber ist ebenfalls ein kleines Gärtchen angelegt. Vereinzelte verschleierte Gestalten auf der Straße beleben das Bild, lassen aber die Frage nach dem Wer, Woher oder Wohin ganz bewusst offen. Es herrscht eine geheimnisvolle träumerische Stimmung. Die dunklen Blautöne des Himmels und die in Braun und Grau gehaltenen Mauern, die Straße und die dunkle Erde des Geländes werden durch lichte Weiß- und Gelbzeichnungen durchbrochen, die die Dinge wie in einem nächtlichen Dunkel gleichsam aus sich selber leuchten lassen. Es entsteht dadurch der Eindruck einer geheimnisvollen Atmosphäre, die mehr als eine konkrete Situation in Zeit und Raum vermutlich die Eigenart des orientalischen Lebensgefühls wiedergeben soll. Körtzinger hat solche Erfahrungen in seinen Reise-Aufzeichnungen Marokko formuliert: „Der große, überalte Name Afrika befällt den Reisenden, der es zum ersten Male in Marokko betritt, mit eigenartiger Faszination. Mit den Gestalten, die er auf der Kaje in der Haltung völliger Unbeteiligtheit hocken sieht, berührt ihn Menschwesenheit stärker als Landschaft, Geschichtlichkeit deutlicher als Natur […] Aus vielquadrigem Wirrsal schimmert die marokkanische Stadt in unaussprechlichem Weiß. Ein Weiß, das die Kuben seiner Gebäude himmelan verspielt, berückend unfasslich. Die große Helligkeit wird gefasst vom vielstufigen Braun der Stadtmauern, der Kasbah, der Tore, von diesem warmen Ruinenbraun, das von Bögen und Zinnen und Ornamenten, die es tragen, nicht unruhig wird. Und Grau und Wenig Gelb lebt noch auf; größerer Farbigkeit bedarf ein so über Jahrhunderte gleichbleibendes Stadtbild nicht, um sich in der Natur auszusprechen.“(2)
Reisen in den Orient auf der Suche nach Inspirationen in einer fremden, faszinierenden Welt waren in der Zwischenkriegszeit bei vielen Künstlern der Moderne sehr beliebt, vor allem bei den Malern des Fauvismus. Henri Matisse, Albert Marquet, Raoul Dufy oder Jules Pascin unternahmen in den 1920er Jahren mehrfach Reisen nach Nordafrika. Auch Oskar Kokoschka hielt Ende der zwanziger Jahre in Bildern aus Tunis, Algerien und Ägypten sein Erlebnis der orientalischen Welt fest.
Nach dem Besuch einer Kommission des Präsidenten der Reichskunstkammer Adolf Ziegler in der Bremer Kunsthalle im Sommer 1937 wurde Körtzingers Gemälde Aus Marokko abgehängt. Es sollte zunächst zur kritischen Prüfung für die Ausstellung Entartete Kunst nach Berlin geschickt werden, konnte dann aber durch das Eintreten des damaligen Direktors Emil Waldmann im Depot der Bremer Kunsthalle verbleiben.(3)

Katharina Erling

(1) Curd Ochwadt: Hugo Körtzinger, Bilder, Plastiken, Schriften, Hannover 1991, Marokko, 1931, Farbtaf. 22 und Rabat Saleh, 1931, Farbtaf. 26.
(2) Zit. n. Ochwadt 1991 (wie Anm. 1), S. 174.
(3) Brief von Emil Waldmann an Hugo Körtzinger vom 29.1.1938, s. Ochwadt 1991 (wie Anm. 1), S. 32.
Abmessungen
  • Objekt: 50 x 58,5 cm
Raum
nicht ausgestellt
Inventarnummer
411-1933/3
Permalink

Werkinformationen

Künstler

Hugo Körtzinger (*Lesum/Bremen 1892 - † Schnega 1967), Maler

Werk
Titel:
Aus Marokko
Entstehungsdatum:
1931
Grunddaten
Abmessungen:
  • Objekt: 50 x 58,5 cm
Werktyp:
Gemälde
Technik:
Öl auf Leinwand
Bezeichnungen:
  • unten rechts datiert und monogrammiert: HK 1931
Erwerbsinformation:

    1933

  • Geschenk des Norddeutschen Lloyd Bremen 1933
Creditline
  • Kunsthalle Bremen - Der Kunstverein in Bremen

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nicht ausgestellt