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Friedrich Wilhelm Steinhäuser (*Bremen 1817 - † Bremen 1903), Maler

Bildnis Apollonia Pacius , um 1850

Wilhelm Steinhäuser porträtiert in diesem Gemälde seine Schwester Maria Juliane Apollonia, die am 17. Oktober 1820 in Bremen geboren wurde. Am 12. Februar 1847 heiratete sie Georg Conrad Pacius und brachte im November des gleichen Jahres die erste Tochter Georgine Wilhelmine Henriette zur Welt.(1) Zu Beginn der 1850er Jahre muss ein Wohnungswechsel nach Magdeburg stattgefunden haben, wo 1852 und 1854 zwei weitere Kinder geboren wurden. 1858 wohnte das Ehepaar Pacius mit fünf Kindern in Bremen in der Pelzer Straße 1, später im Breitenweg 22.(2) Für die Folgejahre sind nur Daten über den Ehemann Georg Conrad Pacius bekannt. Er war 1860 in Bremen Hauptagent verschiedener in- und ausländischer Versicherungsgesellschaften und hatte die Vertretung mehrere Großbetriebe aus der Bergbau- und Stahlerzeugungsbranche inne.(3) Bei seinen Auslandsaufenthalten wird ihn seine Familie vermutlich begleitet haben. Seine Tochter Georgine Wilhelmine Henriette Pacius beantragte 1864 und 1865 Pässe für Reisen nach England und Java, für die Töchter Auguste Apollonia und Charlotte Antonie wurden am 12. November 1867 Reisepässe für Aufenthalte in der Schweiz und in Italien ausgestellt.(4) 1885 führte Apollonia Pacius zusammen mit ihrem Sohn Carl Wilhelm August die Kohlehandlung ihres verstorbenen Ehemannes weiter.(5) Sie verstarb am 7. Juli 1894 in Bremen.(6)
In dem Bildnis erscheint Apollonia in Halbfigur vor dunkelbraunem Hintergrund. Ihr Körper ist nach rechts gerichtet und der Kopf nach links dem Betrachter zugewendet, den sie aus großen braunen Augen aufmerksam anblickt. Um ihren Mund spielt ein Lächeln. Das weich modellierte Gesicht weist keine Unebenheiten auf. Durch Rothöhungen auf Wangen und Kinn verleiht ihr Steinhäuser ein frisches und gesundes Aussehen.
Apollonia trägt ein schlichtes schwarzes, langärmeliges und hochgeschlossenes Seidenkleid. Die noch in der Biedermeier-Zeit der 1830er Jahre üblichen „Hammelkeulen-“ oder „Schinkenärmel“ sind verschwunden.(7) Die vermutlich bis zum Handgelenk schmal und eng verlaufenden Ärmel schließen am Bündchen mit einer kleinen Spitzenmanschette ab. Eine schräg von der Schulterlinie zur Taille hin verlaufende Fältelung des Mieders endet wohl in einer spitzen Schneppe unterhalb der Taillenlinie, was die Figur – dem Schönheitsideal der Zeit entsprechend – zart und zerbrechlich erscheinen lässt. Ein eingesetzter weißer, kostbarer Spitzenkragen unterstreicht die schlichte Eleganz des Kleides. Er wird ergänzt durch das zu einer dekorativen Schleife gebundene, farbkräftige blaue Seidenband, das einen auffälligen Kontrast zur dunklen Kleidung darstellt. Ein aus Kaschmir, Seide oder Spitze gefertigter Longshawl oder ein Dreieckstuch waren damals eine beliebte Ergänzung der Kleidung: Die junge Frau hat ein dunkelrotes Samttuch um Rücken und Arme gelegt, das sie mit der rechten Hand locker zusammenhält. Mit dieser Kleidung orientiert sich Apollonia Pacius am Modestil des sogenannten Zweiten Rokoko, der die beginnenden 1840er Jahre charakterisiert und bis in die 1860er Jahre fortdauert. Noch genauer lässt sich die Frisur datieren: Die im weichen Bogen über die Ohren gelegten langen Haare sind am Hinterkopf in einem Knoten mit aufgesteckter Tüllhaube zusammengefasst, eine Ende der 1840er Jahre typische Haarfrisur, die bis in die 1850er Jahre aktuell blieb.(8)
Wahrscheinlich entstand das Bildnis in dieser Zeit. 1849 war Wilhelm Steinhäuser nach Auslandsaufenthalten in Belgien und Paris nach Bremen zurückgekehrt und schuf in den Folgejahren Porträts von jüngeren Familienmitgliedern, Verwandten und Freunden.(9) 1852 zog Apollonia nach Magdeburg um, während der Maler in Bremen blieb. In derselben Zeit entstand ein Bildnis von Apollonias Ehemann Georg Conrad Pacius, das sich jedoch im Bildausschnitt leicht unterscheidet, so dass es nicht als direktes Pendant gelten kann.(10)
Es handelt sich um private Erinnerungsbilder, die über Jahrzehnte in der Familie weitergegeben wurden, bis sie aus dem Nachlass von Betty Pacius, der Schwiegertochter der Dargestellten, in die Kunsthalle Bremen gelangten.(11)

Anke Schmidt-Staufenberg

(1) Vgl. „Graue Mappe“ Pacius und Ortsfamilienbuch Bremen und Vegesack, Familienbericht, DIE MAUS, Gesellschaft für Familienforschung e.V. Bremen; Civilstandsregister Bremen 1847, Trauungen, Staatsarchiv Bremen; Harry Schwarzwälder: Versuch einer Darstellung vom Leben und Werk des Bildhauers Carl Steinhäuser 1813–1879, unveröffentlichtes Manuskript, Bremen 2004, S. 10 und A 14.
(2) Ortsfamilienbuch Bremen und Vegesack, Familienbericht, Staatsarchiv Bremen.
(3) Hansjörg Telfser: Marmor Spurensuche. Vinschgaus Marmor zwischen Kunst- und Spekulationsobjekt, Schlanders 2007, S. 39; vgl. auch „Graue Mappe“ Pacius (A 015), DIE MAUS, Gesellschaft für Familienforschung e.V. Bremen.
(4) Passregister: Pacius, vgl. DIE MAUS, Gesellschaft für Familienforschung e.V. Bremen.
(5) Vgl. Schwarzwälder 2004 (wie Anm. 1), S. 10.
(6) Am 22. Juni 1893 setzte sie ein Testament auf. Vgl. Testament von Maria Juliane Apollonia Steinhäuser vom 22. Juni 1893 (FB 2950), Staatsarchiv Bremen; Die Leichenbücher der Stadtgemeinde Bremen von 1875–1934, Leichenbucheintrag 1894, DIE MAUS, Gesellschaft für Familienforschung Bremen e.V.
(7) Vgl. Bildnis der Mutter Henriette Friederike Steinhäuser. Wir danken Frau Prof. Waltraud Dölp, Hochschule für Künste Bremen, für die kostümhistorischen Informationen.
(8) Vgl. in diesem Zusammenhang das Gemälde von Franz Xaver Winterhalter, Kaiserin Eugénie im Kreise ihrer Hofdamen, 1855, in: Franz Xaver Winterhalter and the courts of Europe 1830–70, Kat. Ausst. National Portrait Gallery, London / Petit Palais, Paris 1987/1988, S. 130.
(9) Vgl. Schwarzwälder 2004 (wie Anm. 1), S. 10.
(10) Vgl. Bildnis Georg Conrad Pacius in der Kunsthalle Bremen; zum Thema Ehepaarporträts vgl. Carola Muysers: Das bürgerliche Portrait im Wandel, Hildesheim / Zürich / New York 2001, S. 126f. und Hans-Joachim Raupp / Ulrich Großmann (Hg.): Portraits. Niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts der
SØR Rusche-Sammlung, Münster / Hamburg / London 1995, S. 4f.
(11) Betty Pacius, geb. Roselius, Tochter des Lehrers Ludwig Wilhelm Roselius und dessen Frau Betty Stelling, war mit Carl Wilhelm August Pacius verheiratet. Sechs Steinhäuser-Porträts aus ihrem Nachlass gelangten 1954 in die Kunsthalle Bremen.
Abmessungen
  • Objekt: 71,5 x 60 cm
Raum
nicht ausgestellt
Inventarnummer
676-1954/45
Permalink

Werkinformationen

Künstler

Friedrich Wilhelm Steinhäuser (*Bremen 1817 - † Bremen 1903), Maler

Werk
Titel:
Bildnis Apollonia Pacius
Entstehungsdatum:
um 1850
Grunddaten
Abmessungen:
  • Objekt: 71,5 x 60 cm
Werktyp:
Gemälde
Technik:
Öl auf Leinwand
Erwerbsinformation:

    1954

  • Vermächtnis Betty Pacius, geb. Roselius 1954
Provenienz
  • Apollonia Pacius (17.10.1820 - 7.7.1894) geb. Steinhäuser, erworben vom Künstler
  • 7.4.1954 Betty Pacius
  • Kunsthalle Bremen - Der Kunstverein in Bremen Vermächtnis Betty Pacius, geb. Roselius
  • Creditline
    • Kunsthalle Bremen - Der Kunstverein in Bremen

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    nicht ausgestellt