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Hermann Sandkuhl (*Bremen 1872 - † Berlin 1936), Maler

Weg am Berghang , 1936

Das Gemälde entstand im August 1936 während eines Aufenthaltes mit Gisela Koch auf der Marienberghütte in den Bergen oberhalb von Innsbruck. Gisela Koch, die im April 1936 Sandkuhls zweite Ehefrau geworden war, lebte aufgrund ihrer zunehmenden Erblindung schon seit längerer Zeit in der Marienberghütte in Tirol. Das Paar verbrachte dort Ostern 1935 und die Sommermonate 1935 und 1936. Sandkuhl malte in dieser Zeit zahlreiche Bergbilder, in denen er das Licht und die Landschaft zu den unterschiedlichen Jahreszeiten festhielt. Es entstanden Schneelandschaften im winterlichen oder schon frühlingshaften Licht sowie sommerliche Bergwaldbilder. Der Weg am Berghang ist eines der letzten Bilder dieser Art, wenig später, am 19. September 1936, starb Sandkuhl an einem Herzschlag in Berlin.
Dargestellt ist ein scheinbar belangloses Stück Landschaft mit einem Bergpfad, der sich an einem Steilhang entlang windet und auf der Höhe in der Biegung verschwindet. Wie Gisa Koch in ihren Erinnerungen beschreibt, handelt es sich dabei um den so genannten „Jubiläumsweg“, einen Gipfelwanderweg in der Höhe von etwa 1750 m, auf dem das Paar wohl öfter spazieren gegangen ist und den Sandkuhl zwei Mal malte. Die zweite Fassung ist im Krieg zerstört worden.(1)
Der Künstler führt den Betrachter quasi auf dem Bergpfad gehend in die in unmittelbarer Nahsicht wiedergegebene Landschaft ein. Der Weg endet im Nichts und wird von dem hohen Himmel abgelöst. Rechts stürzt der Hang in den Abgrund, während er links steil emporragt. Die abrupte diagonale Trennung von Vorder- und Hintergrund findet man auch in früheren Landschaften Sandkuhls, hier kommt sie jedoch besonders stark zur Geltung. Sie erinnert an die romantische Bildmetapher vom Diesseits und Jenseits, vom Hier und Dort des menschlichen Lebens.
Bei aller nüchternen und detaillierten Beschreibung der landschaftlichen Gegebenheiten, der Steine und Felsen, der Baumstümpfe, Wurzeln, Büsche und einer Fichte am Steilhang, entsteht der Eindruck einer gezielten Dramaturgie des Einfachen und Ausschnitthaften, das als pars pro toto für die Größe und Herbheit der Bergwelt zu verstehen ist. Die Lichtführung dient einer möglichst einfühlsamen, aber realistischen Bestandsaufnahme. Die Natur liegt im gleichmäßig gedämpften Licht eines verhangenen Tages, das die Wolken leicht und duftig in feinen Nuancen von Blau, Weiß, Grau und Rosa durchwirkt, die Dinge dagegen kräftig in tonigen Abstufungen von Braun und Grün hervortreten lässt. Die breiten Pinselzüge verleihen ihnen eine feste dingliche Präsenz. So wird die Stille und Einsamkeit der Bergwelt erlebbar, die ohne Bewegung und ohne atmosphärische Veränderung den geradezu sachlichen Tatbestand einer zeitlosen Gegenwärtigkeit ausstrahlt. „Große Stille möchte ich, soll in meinen Bildern sein.“ So äußerte sich Sandkuhl mit Blick auf seine Landschaften. „Darum male ich sehr tief im Walde oder an ganz menschenfernen Stellen. […] Dann weiß ich, dass mein schönstes Erlebnis beim Malen in der Natur ein inneres und religiöses, ein Ahnen der Gottesnähe ist.“(2)
In diesem Verständnis von der Natur als Andachtsraum mögen ebenfalls romantische Vorstellungen nachklingen. In seiner empfindsamen Auffassung des schlichten Landschaftsausschnittes steht Sandkuhl in der Tradition der französischen paysage intime, die er bei seinem Lehrer Carl Bantzer in Dresden kennen gelernt hatte. Doch kommt bei Sandkuhl etwa in der Vereinfachung der Komposition und der Flächengefüge, aber auch in der Reduzierung der Farbwerte und der markanten Zeichnung ein gesteigerter Realismus zum Ausdruck, der ihn in die Nähe der Künstler der Neuen Sachlichkeit
rücken lässt.

Katharina Erling

(1) Gisela Sandkuhl: Meine Begegnung mit dem Maler Herman Sandkuhl, in: Monika Titze / Lotte Sandkuhl / Stefan Sandkühler: Herman Sandkuhl, Leben und Werk, Kat. Ausst. Künstlergilde Buslat, Schloss Bauschlott, Karlsruhe 1980, S. 41.
(2) Herman Sandkuhl: Künstler vor der Natur, in: ebd., S. 37.
Abmessungen
  • Objekt: 101 x 80 cm
Raum
nicht ausgestellt
Inventarnummer
285-1937/1
Permalink

Werkinformationen

Künstler

Hermann Sandkuhl (*Bremen 1872 - † Berlin 1936), Maler

Werk
Titel:
Weg am Berghang
Entstehungsdatum:
1936
Grunddaten
Abmessungen:
  • Objekt: 101 x 80 cm
Werktyp:
Gemälde
Technik:
Öl auf Leinwand
Bezeichnungen:
  • unten links signiert: Hermann Sandkuhl
Erwerbsinformation:

    1937

  • Geschenk eines Kunstfreundes 1937
Creditline
  • Kunsthalle Bremen - Der Kunstverein in Bremen

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nicht ausgestellt