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Rudolf Tewes (*Bremen 1879 - † Bremen 1965), Maler

Pfingstrosen, 1909

Auf einer dunklen Tischdecke mit roten und grünen Rautenmustern steht eine blaue Vase mit einem prachtvollen Strauß erblühter Pfingstrosen. Im Unterschied zu Tewes’ früheren, in kontrastreich leuchtenden Farbflächen angelegten Bildern sind die Pfingstrosen in fein abgestuften Rosa-, Weiß und Rottönen mit kurzen, dichten und teilweise weich ineinander übergehenden Pinselstrichen wiedergegeben. Der Schmelz der zarten Farben der Blüten wird durch den dunkeltonigen Hintergrund hervorgehoben und durch die kühlen Blautöne der Vase und einer türkisfarbenen Porzellanfigur rechts davon kontrastiert. Der Päonienstrauß belegt Tewes’ Auseinandersetzung mit Renoir und Manet und kündigt einen Wandel in seiner Malerei an.
Pfingstrosen waren seit ihrer Einführung Mitte des Jahrhunderts in Frankreich nicht nur ein begehrter Luxusartikel, sondern auch ein beliebtes Bildmotiv. Manet malte 1864–65 eine Reihe solcher Blumenbilder. Vor allem sein Päonienstrauß von 1864 wurde allseits bewundert.(1) Das Motiv des einzelnen Blütenstängels neben der Vase mit einer offenen und einer geschlossenen Blüte sowie die heruntergefallenen Blütenblätter dürfte Tewes von dem Franzosen übernommen haben. Ist dies bei Manet in Anlehnung an niederländische Stillleben als Verweis auf die Vergänglichkeit aller Schönheit zu lesen, so dürften bei Tewes eher malerische Beweggründe wie die ausgewogene Verteilung der hellen saftigen Partien im dunklen Grund ausschlaggebend gewesen sein. Darin wie auch in der schmelzenden Malweise aus dicht gesetzten, weich fließenden Pinselzügen erinnert sein Bild an Renoirs Pfingstrosen aus dem Jahr 1880.(2)
Tewes hat um 1909 mehrere Pfingstrosen-Bilder gemalt und sich vielleicht gerade an ihnen den Wandel zu einer flüssigen, leichteren Malweise erarbeitet.(3) Emil Waldmann hob im Dezember 1909 in seiner Besprechung der neuesten Arbeiten von Tewes in der Kunsthalle vor allem den Wandel zu einer subtilen Farbigkeit hervor: „Die Stillleben“, so schrieb er auch mit Blick auf das vorliegende Bild, „nehmen den meisten Raum ein. Sie unterscheiden sich von den früheren Bildern desselben Gegenstandes durch ihre ruhigere Farbenhaltung. Als wir vor einigen Jahren Tewes kennen lernten, kam er mit leuchtenden Bildern, in denen ein starkes Blau und ein sehr lebhaftes Zitronengelb häufig wiederkehrten. Von dieser Art finden wir jetzt nur noch wenig, nur in einigen kleinen Früchtedarstellungen. Die Blumenbilder zeigen weniger Umfang an Palette, dafür aber größeren Reichtum an Nuancen. Von den beiden Päonienstillleben ist das eine mit der chinesischen blauen Vase sehr weich und klangschön, das Rosa und Weiß der Blumen und der bläulichweiß beschatteten Porzellanfigur verbindet sich harmonisch mit dem dunklen Grünblau des Grundes und der Tischdecke. Das andere mit der weißen Vase ist gesetzter und klarer; hier ist ein Stück Raum mitgegeben und alles ist bestimmter, vielleicht auch noch etwas bildmäßiger.“(4) Beide von Waldmann erwähnten Pfingstrosen-Bilder wurden in der Ausstellung verkauft: Das erstere erwarb Leopold Biermann, der es anschließend der Kunsthalle schenkte.(5)
Ein Jahr später waren in der Kunsthalle Bremen Bilder von Tewes neben den Werken von Gauguin, van Gogh, Monet, Pisarro, Sisley und Renoir zu sehen. Bei dieser Gelegenheit stellte Gustav Hartlaub, ein Vetter des Künstlers, der sich später als Direktor der Mannheimer Kunsthalle einen Namen machte, die neue Nähe der Tewes’schen Malerei zu den französischen Impressionisten heraus: Tewes, so schrieb er, habe „eine Strecke seiner bisherigen Entwicklung unter dem Gestirn van Goghs durchlaufen“, und es sei zu begrüßen, „dass er diese Phase überwunden zu haben scheint, und dass z. B. ein Renoir jetzt seinen innerlichen Tendenzen näher steht.“ Es seien dies „die Etappen einer natürlich planvollen Entwicklung, wenn sich der Maler jetzt in seiner Grundrichtung mehr nach Renoir oder Sisley als nach van Gogh orientiert [...] Von den 20 ausgestellten Gemälden bestätigen die verschiedenen Stillleben wieder die günstige Meinung, die man sich bereits seit den letzten Ausstellungen von Tewes auf diesem Gebiete bilden konnte. Vor allem die beiden größeren Blumenstücke – das eine zart im Ton, sehr apart und weich im Vortrag, das andere kräftiger in der Farbe und sehr energisch behandelt – sind vortreffliche Leistungen.“(6)

Katharina Erling

(1) Vgl. Vase de pivoines sur piédouche, 1864, 93,2 x 70,2 cm, Branche de pivoines blanches et sécateur, 1864, 31 x 46,5 cm, Tige de pivoines et sécateur, 1864, 57 x 46 cm, in: Denis Rouart und Daniel Wildenstein: Édouard Manet. Catalogue raisonné, 2 Bde., Genf 1975, Bd.1, Nr. 88, 91, 86.
(2) 54,9 x 65,3 cm, Sterling and Francine Clark Art Institute, Williamstown; vgl. John House: Renoir. Master Impressionists, Kat. Ausst. Queensland Art Gallery, Brisbane / National Gallery of Victoria, Melbourne / The Art Gallery of New South Wales, Sydney 1994, Kat. Nr.16.
(3) In der Leihausstellung von Gemälden, Zeichnungen und Bildwerken aus bremischem Privatbesitz, Kat. Ausst. Kunsthalle Bremen 1909, Kat. Nr. 305, waren Pfingstrosen aus dem Besitz von Dr. Rob. Voigt, Bremen, zu sehen. Im Pariser Herbstsalon 1909 war Tewes u.a. mit Päonien vertreten. Neben den beiden Pfingstrosen-Bildern der November/Dezember-Ausstellung 1909 in der Kunsthalle Bremen (Ausstellungsbuch 1906–1913, S. 122, Nr. 564, 565) wurden in der 38 Gemälde umfassenden Tewes-Ausstellung im Februar 1920 in der Kunsthalle zwei weitere Pfingstrosen-Bilder angeboten (Ausstellungsbuch 1912–1922, S. 151, Nr. 474, 502).
(4) Emil Waldmann: Aus der bremischen Kunsthalle. Einige neue Arbeiten von Rudolf Tewes, in: Bremer Nachrichten, 12. Dezember 1909.
(5) Ausstellung November 1909, im Ausstellungsbuch 1906–12, S. 122, Nr. 564: Pfingstrosen, 600 Mk., verkauft für 440 Mk. an Fr. Arens, Nr. 565: Pfingstrosen, 600 Mk., verkauft für 440 Mk. an L. Biermann.
(6) H. [= Hartlaub]: Aus der bremischen Kunsthalle. Van Gogh, Gauguin, Tewes, in: Bremer Nachrichten, 21. Dezember 1910.
Abmessungen
  • Objekt: 54 x 65 cm
Raum
nicht ausgestellt
Inventarnummer
176-1910/7
Permalink

Werkinformationen

Künstler

Rudolf Tewes (*Bremen 1879 - † Bremen 1965), Maler

Werk
Titel:
Pfingstrosen
Entstehungsdatum:
1909
Grunddaten
Abmessungen:
  • Objekt: 54 x 65 cm
Werktyp:
Gemälde
Technik:
Öl auf Leinwand
Bezeichnungen:
  • unten rechts signiert und datiert: Tewes 1909
Erwerbsinformation:

    1910

  • Geschenk Leopold Biermann, Bremen 1910
Creditline
  • Kunsthalle Bremen - Der Kunstverein in Bremen

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nicht ausgestellt