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Helmuth Westhoff

* Bremen 1891 - † Fischerhude 1977

Helmuth Heinrich Bruno Westhoff kam am 7. März 1891 als drittes und jüngstes Kind des Kaufmannes Friedrich Heinrich Eduard Westhoff und dessen zweiter Ehefrau Johanna Caroline Natalie geb. Hartung in Bremen zur Welt. Die Gebrüder Westhoff betrieben in der Bremer Innenstadt, Wachtstraße 11, einen Handel mit Kaffee, Tee, Kakao und Kolonialwaren, der sich bald zu einer der bedeutendsten Großröstereien und Kaffeehandelsgesellschaften in Deutschland entwickelte.
Die 13 Jahre ältere Schwester Clara Henriette Sophie ist als die Bildhauerin Clara Rilke-Westhoff bekannt geworden. Helmuth Westhoff wuchs im damals dörflichen Oberneuland bei Bremen auf. Angeregt durch seinen Vater, der in seiner Freizeit gerne aquarellierte, begann Helmuth schon früh in den Wümmewiesen der Umgebung zu zeichnen und zu malen. Bei seinem frühen Tod hinterließ der Vater den Geschwistern eine Erbschaft, die ihnen für einige Jahre ein finanzielles Auskommen ermöglichte und sie als Künstler unabhängig machte.
1906 nahm Helmuth ersten Malunterricht bei Carl Weidemeyer in Worpswede. 1908 verließ er die Oberrealschule in Bremen und nach einer abgebrochenen kaufmännischen Lehre in Hamburg nahm er in den Sommermonaten 1908 und 1909 Malunterricht bei Otto Modersohn in Fischerhude. In dieser Zeit setzte er sich intensiv mit der Malerei, speziell den Stillleben der 1907 verstorbenen Paula Modersohn-Becker auseinander. 1910 ging er nach Berlin, um bei Lovis Corinth Akt- und Porträtmalerei zu studieren. 1911 setzte er das Studium an der Akademie in München bei dem damals angesehenen Porträt-, Landschafts- und Figurenmaler Hermann Groeber fort. Aufgrund zeitweiliger Depressionen unterzog er sich im Winter und Frühjahr 1911/12 einer Psychoanalyse bei Viktor Emil von Gebsattel, einem Freund Rilkes, der sich später als Psychiater und Psychotherapeut einen Namen machte. In München freundete er sich mit dem französischen Bildhauer Gérard Vuerchoz an. 1913 folgte er ihm nach Paris, wo er seine Studien bei Lucien Simon an der Académie de la Grande Chaumière, einer offenen Kunstschule am Montparnasse, fortsetzte. In dieser Zeit malte Westhoff vornehmlich Porträts und Stillleben, die Einflüsse der Spätimpressionisten, darunter van Gogh und Gauguin, aber auch Toulouse Lautrec, verarbeiten.
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges lernte Westhoff 1914/15 während seiner militärischen Ausbildung in Güstrow den Bildhauer Ernst Barlach kennen. Barlach beschrieb den 24-jährigen Maler am 30. August 1915 als „guten, träumerischen Jungen“, dessen „Treuherzigkeit und Abkehr vom Leben“ er als Hang zu „idyllischem Gartenlaubenglück“ empfand.(1) In den Jahren 1916–18 kämpfte Westhoff als Artillerist in der Champagne in Nordfrankreich. Nach dem Krieg kehrte er nach Fischerhude zurück, wo auch seine Schwester Clara und seine Mutter lebten. Er widmete sich der Landschaftsmalerei, nahm aber gleichzeitig Unterricht bei Leo von König in Berlin, der sich als Porträtmaler und als streitbarer Kämpfer für die Berliner Secession einen Namen gemacht hatte. Der Einfluss seines Lehrers und der Berliner Secessionisten macht sich in Westhoffs Porträts der zwanziger Jahre bemerkbar, in denen sich eine Wende zu einer weicheren malerischen Behandlung mit ausgeprägten Hell-Dunkel-Effekten und zum psychologischen Erfassen der Persönlichkeit seiner Modelle abzeichnet. In Berlin schloss er Freundschaft mit der taubstummen Nichte seines Lehrers, der Malerin Ischi von König (1881–1973), die ihn verschiedentlich in Fischerhude besuchte und die er mehrfach porträtierte.
Westhoff orientierte sich stark an seinen jeweiligen Lehrern und änderte im Laufe seines Lebens mehrfach die Stilrichtung. Bis 1930 lebte er im Sommer in Fischerhude und verbrachte die Wintermonate mit Porträtaufträgen in Berlin. 1924 reiste er mit seiner Schwester Clara nach Muzot im Wallis, um den kranken Rainer Maria Rilke aufzusuchen, der im Dezember 1926 starb. Von 1926–29 besuchte er zusammen mit Clara die Malschule Arthur Segals in Berlin. Dort lernte er 1926 den Tänzer und Maler Hellmut Müller-Celle (1903–1982) kennen, mit dem ihn eine zunehmend enge künstlerische und menschliche Beziehung verband. Wichtige Porträts befestigten seinen Ruf als Porträtmaler von Rang: das Selbstbildnis der Bremer Kunsthalle von 1924, das Porträt des Philosophen Werner Ziegenfuß (1929–30), das posthume Bildnis Rilkes (1930) und später das Porträt Rudolf Alexander Schröders (1960).(2)
1931 ließ sich Westhoff ganz in Fischerhude nieder, lebt dort in enger Nachbarschaft zu seiner Schwester Clara und wandte sich vermehrt der Landschaftsmalerei zu. Die Kriegsjahre 1943–45 verbrachte er im Atelier seines Freundes Hellmut Müller in Celle und bei der Familie Mehring in Ahnsbeck bei Celle. Nach Kriegsende kehrte er nach Fischerhude zurück. Mehrere Studienreisen führten ihn 1948 nach England, wo ihm die Malerei Turners zum nachhaltigen Erlebnis wurde. Bis 1962 weilte er im Sommer häufig bei dem befreundeten Ehepaar Dora und Rudolf Alexander Schröder in Bergen/Obb. Westhoff starb am 16. August 1977 an den Folgen eines Schlaganfalls in seinem Haus an der Wümme in Fischerhude. Er stellte zu Lebzeiten wenig aus. 1976 widmete ihm die Galerie Cohrs-Zirus in Worpswede eine erste größere Ausstellung, 1979 folgte eine zweite Retrospektive. Erst 2009 war wieder ein größerer Teil seines Werkes im Kunstverein in Fischerhude zu sehen.

Katharina Erling

(1) Ernst Barlach: Das Dichterische Werk in drei Bänden, hg. von Friedrich Droß, München 1959, Bd. 3: Die Prosa II, S. 286; s.a. S. 309, 704.
(2) Porträt des Philosophen Ziegenfuß, 1929–1930, Öl auf Sperrholz, 73,5 x 54 cm, bez. o. l.: H. Westhoff, Galerie Cohrs-Zirus Worpswede; Porträt Rainer Maria Rilke, 1930, Öl auf Sperrholz, 46 x 38 cm, bez. o. r.: H. Westhoff 30, Privatbesitz; Porträt Rudolf Alexander Schröder, 1960, Öl auf Leinwand, 60 x 45 cm, bez. o. r.: H. Westhoff 1960, Deutsches Literaturarchiv Marbach.
Damenbildnis
Damenbildnis , 1924

Helmuth Westhoff (*Bremen 1891 - † Fischerhude 1977), Maler

Selbstbildnis
Selbstbildnis , 1924

Helmuth Westhoff (*Bremen 1891 - † Fischerhude 1977), Maler