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Albert Schiestl-Arding

* Erding 1883 - † Bremen 1937

Unter dem Namen Karl Schiestl kam Albert Schiestl-Arding am 27. April 1883 als einziges Kind des Kaufmanns Carl Peter Schiestl (1853–1891) und Ottilie Schiestl geb. Hastreiter in Erding in Bayern zur Welt. Seine Mutter war in erster Ehe mit dem verstorbenen älteren Bruder des Vaters verheiratet gewesen. Aus dieser Ehe hatte Schiestl fünf Halbgeschwister, mit denen er aber zeitlebens wenig Verbindung besaß. Die Kindheit Karl Schiestls war geprägt durch die innige Bindung an den Vater, der die Erziehung des Jungen allein übernahm und ihm neben seiner Liebe zur Natur auch das Interesse für Kunst und Literatur vermittelte. Nach dem frühen Tod des Vaters, der 1891 auf einer Gebirgstour verunglückte, wurde der Achtjährige in verschiedenen Internaten untergebracht. 1897 schloss er die Schule mit der mittleren Reife ab und begann eine Lehre in einer Augsburger Tuchhandelsfirma. Im Sommer 1900 fing er erstmals als Autodidakt zu malen an. Seit 1901 studierte er an der Kunstakademie München bei Ludwig Herterich. 1903 verließ er die Akademie und nahm privaten Unterricht bei den Malern Victor Ehemann und Carl Weinhold.
Die wenigen frühen Bilder Schiestls zeigen eine satte, dunkeltonige Farbigkeit und einen lockeren, kraftvollen Malstil in der Art der Münchner Malerei im Kreis der Scholle. Im Frühjahr 1905 waren erstmals Werke von ihm in einer Münchner Galerie ausgestellt. Im Sommer desselben Jahres heuerte Schiestl in Bremen auf einem Überseedampfer als Kohletrimmer an, um nach Übersee auszuwandern. Der Traum scheiterte in Holland aus gesundheitlichen Gründen, und so suchte er 1906 als Dekorationsmaler und Fotozeichner im Atelier von Willi Dose in Bremen ein Auskommen. Dort lernte er die zwölf Jahre ältere, aus München stammende Malerin Annemarie Hollaender (1871–1942) kennen, die er 1908 in Bremen heiratete. 1913 kam die Tochter Lieselotte zur Welt. Im Ersten Weltkrieg diente Schiestl mit seiner Hündin Zone als Sanitäts-Hundeführer, zuerst 1915 in der Champagne, 1916 an der Somme und danach in Flandern. Seine Frau zog zu Beginn des Krieges nach Worpswede, wo sie sich im Haus der Witwe Schröder, dem Elternhaus Martha Vogelers, in der Hembergstraße einmietete. 1918 ließ sich auch Schiestl in Worpswede nieder. Er lebte als Einzelgänger, knüpfte aber zu einigen der Künstler freundschaftliche Beziehungen, etwa zu dem Maler Udo Peters, dem späteren Journalisten Diedrich Kenneweg, dem Dichter Ludwig Bäumer und zu dem Maler Tetjus Tügel.
Seit Beginn der zwanziger Jahre nannte er sich nach seinem Geburtsort Schiestl-Arding, um nicht mit den entfernt verwandten Malerbrüdern Rudolf und Matthäus Schiestl verwechselt zu werden. Ab 1924 signierte er seine Bilder mit den Buchstaben ASA. 1922 trennte er sich von seiner Familie und zog in den von Bernhard Hoetger erbauten Brunnenhof in Worpswede, der inzwischen als Künstlerpension diente. Schiestls Ehe wurde 1924 geschieden. In der Nacht vom 9./10. Mai 1923 brannte der Brunnenhof ab und mit ihm alle Bilder und die gesamte Habe Schiestls, darunter auch 17 Gemälde, die für eine Ausstellung in der Bremer Kunsthalle vorgesehen waren. In den folgenden zwei Jahren irrte der Künstler mittellos umher, zeitweise in Altenau im Harz, zeitweise in Bremen, wo er Ende des Jahres 1924 nach einem Zusammenbruch in der Nervenheilanstalt von Dr. Brenning in Bremen-Rockwinkel eingeliefert wurde. Zu seinen Förderern aus dieser Zeit gehörten die Arztwitwe Claire Schilling in Lilienthal sowie der Arzt Dr. Kurt Sasse, in deren Garage in Lilienthal Schiestl nach seiner Entlassung im Sommer 1925 ein Atelier einrichten konnte. Hier begann eine neue fruchtbare Schaffensphase.
1926 kehrte Schiestl nach Worpswede zurück. Die Galeristin Philine Vogeler richtete ihm im Kunstgewerbehaus eine erste große Einzelausstellung aus, die große Resonanz erhielt und mehrere Bildverkäufe mit sich brachte. Im Juli 1926 lernte er in Worpswede die 20-jährige Schauspielerin Irmgard Schott (1906–1984) kennen, die er im September 1926 heiratete. Seit 1927 beteiligte er sich an der Juryfreien Kunstschau Berlin, den Ausstellungen der Münchner Neuen Sezession und den Ausstellungen der Großen Kunstschau in Worpswede. Am 2. Juni 1929 wurde die Tochter Nora geboren. 1932 bezog die Familie die Ausstellungsräume von Philine Vogeler im ehemaligen Kunstgewerbehaus in Worpswede mit Atelier und Garten. Im August 1935 kam der Sohn Thomas zur Welt. 1936 stellte man bei Schiestl eine Lungentuberkulose im fortgeschrittenen Stadium fest, an der er am 14. Februar 1937 verstarb.
Schiestl lebte meist in ärmlichen Verhältnissen, befand sich fortwährend in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und litt auch unter gesundheitlichen Einschränkungen. Er malte mit ungeheurer Energie und war, wie er sagte, von einem „pathologischen Maltrieb“ besessen. Doch verkaufte er wenig und zu niedrigen Preisen. Zeitweise versuchte er sich als Dekorations- oder als Keramikmaler, etwa für den Steingut- und Porzellanwaren-Fabrikanten Christian Carstens in Hamburg oder hielt sich wie 1928 in Düsseldorf bei dem Rechtsanwalt Dr. Arndt mit Porträt-Aufträgen über Wasser. Er malte Landschaften, Stillleben und Porträts im Freien oder im Atelier, immer in unmittelbarer Auseinandersetzung mit dem Objekt. Seine Lieblingsmodelle waren Menschen und Tiere seiner unmittelbaren Umgebung, darunter auch viele Kinder. Gelegentlich entstanden auch freie Phantasien über literarische, mythologische oder biblische Themen, die er „Kompositionen“ nannte. Aus farbintensiver Freilichtmalerei Münchner Prägung entwickelte er eine zunehmend gesteigerte Expressivität in Farben und Malgestus. Dabei blieb er einer wirklichkeitsnahen Anschauung verbunden, vermittelte aber das Gesehene als leidenschaftlich erlebtes farbiges Ereignis. Schiestl gehört zu den Malern eines expressiven Realismus, einer Spielart des Deutschen Expressionismus, die sich in den zwanziger Jahren gebildet hatte und die er in Worpswede mit Udo Peters, Alfred Kollmar, Carl Emil Uphoff und anderen vertrat.

Katharina Erling
Worpsweder Dorfstraße
Worpsweder Dorfstraße , 1927-1932

Albert Schiestl-Arding (*Erding 1883 - † Bremen 1937), Maler

Blumengarten / Verso: Figurenkomposition
Blumengarten / Verso: Figurenkomposition , undatiert

Albert Schiestl-Arding (*Erding 1883 - † Bremen 1937), Maler