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Wilhelm Heinrich Focke (*Bremen 1878 - † Bremen 1974), Maler

Eissegler , 1946/47

In rascher Fahrt gleitet der Eissegler auf Schlittschuhen, sogenannten Holländern, direkt auf den Betrachter zu. Er hält ein trapezförmiges Segel wie ein Kreuz auf dem Rücken und stemmt sich leicht gegen den Wind. Diese Eislauftechnik wurde erstmals um 1870 in Schweden als Freizeitsport entwickelt und war seit den 1920er Jahren auch in Bremen ein beliebter Wintersport, bei dem man bei starkem Wind Geschwindigkeiten bis 70 km/h erreichen konnte. Focke selbst war begeisterter Eisläufer und Ehrenmitglied im Bremer Eisverein und zog im Winter häufig mit solch einem Segel über die überschwemmten und gefrorenen Wiesen an den Flussniederungen von Wümme und Hamme. Wegen der Geschwindigkeit, mit der er vorwärts kam, erhielt er den Ruf des „Rasenden Rolands von Bremen“. Auch konstruierte Focke bereits in jungen Jahren Eissegelschlitten, die in zahlreichen Varianten patentiert und gebaut wurden.
Im vorliegenden Bild dürfte er einen Eislaufgenossen auf den Wümmewiesen im Blockland bei Bremen gemalt haben. Im Hintergrund ragen vereinzelt Obstbäume aus der spiegelnden Eisfläche. Diese wie auch die Büsche der Feldbegrenzungen im Hintergrund, die stellenweise angedeuteten Erderhöhungen und Schneereste wie auch das Spiegelbild des Seglers auf dem Eis im Vordergrund beleben und gliedern als malerische Akzente den bläulich weißen Grund der Eisfläche und des Himmels. Die schnelle, schraffierende Pinselschrift, die die Farbe teilweise in kurzen, breiten Strichen aufträgt, bindet auch die Gestalt des Eisseglers als dynamisches Element in den Malgrund ein. Das flüchtige, schnelle Dahingleiten in der winterlichen Natur wird zum Bildthema: Das Gefühl des Windes, der Rausch der Geschwindigkeit und das unvergleichliche Erlebnis, sich mit der Natur eins zu fühlen, wird auf diese Weise mit ins Bild gebracht.
Focke hat das Thema des Eisläufers, gelegentlich auch des Eisseglers, in den zwanziger Jahren häufig gemalt. Im Vergleich zu diesen wohl früheren Bildern zeigt sich hier eine ganz neue malerische Lösung des Themas: Die Bewegung wird nicht mehr in Form von klar umrissenen Einzelfiguren und ihrer ausladenden Gestik vor der Landschaft vermittelt. Stattdessen werden Wind, Bewegung und Naturerlebnis in einer offenen, expressiveren Malweise vorgetragen, die die Einzelheiten im Rhythmus der Bildfläche verschmelzen lässt. Dadurch wird das Ideal Fockes von der ursprünglichen Einheit von Mensch und Natur nicht mehr in illustrativer Weise, sondern eher im unmittelbaren Malakt zur Anschauung gebracht.
Nach Aussage eines befreundeten Sammlers soll der Eissegler 1946/47 entstanden sein. Das entspricht auch dem Vergleich mit den Landschaftsbildern der vierziger Jahre, in denen Focke die Natur und ihre Elemente Wind, Wasser, Luft und Wolken ebenfalls in freiem, expressiven Malgestus zum eigentlichen Bildmotiv erhob. In der Betonung und Umsetzung seines künstlerischen Credos vom schöpferischen Einklang zwischen Mensch und Natur darf der Eissegler als ein Hauptwerk seiner mittleren Schaffensphase gelten.

Katharina Erling
Abmessungen
  • Objekt: 80 x 74 cm
Raum
nicht ausgestellt
Inventarnummer
1389-2004/13
Permalink

Werkinformationen

Künstler

Wilhelm Heinrich Focke (*Bremen 1878 - † Bremen 1974), Maler

Werk
Titel:
Eissegler
Entstehungsdatum:
1946/47
Grunddaten
Abmessungen:
  • Objekt: 80 x 74 cm
Werktyp:
Gemälde
Technik:
Öl auf Leinwand, doubliert
Erwerbsinformation:

    2004

  • Vermächtnis Ludwig Portenkirchner 2004
Creditline
  • Kunsthalle Bremen - Der Kunstverein in Bremen

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nicht ausgestellt