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Wilhelm Steinhäuser (*Bremen 1817 - † Bremen 1903), Maler

Bildnis Henriette Wilhelmine Steinhäuser, um 1870

Wilhelm Steinhäuser stellt in diesem Porträt seine Nichte Georgine Wilhelmine Henriette („Henny“) Pacius dar.(1) Sie wurde am 28. November 1847 als älteste Tochter von Apollonia Pacius geb. Steinhäuser und Georg Conrad Pacius in Bremen geboren. Am 9. August 1864 beantragte Henriette Pacius einen Reisepass für einen Aufenthalt in
England, ein Jahr später, am 24. November 1865, für einen Aufenthalt auf Java.(2) Vermutlich nahm ihr Vater, der Geschäftsführer der „Great Britain und India Lebensversicherungs-Gesellschaft“ war, seine Familie mit auf Auslandsreisen.(3) Die Heirat mit ihrem gleichaltrigen Cousin Johannes August Constantin Pius Steinhäuser, Sohn des Bildhauers Carl Steinhäuser, fand am 22. Dezember 1870 in Bremen statt.(4) Als Trauzeugen traten ihre Onkel Franz und Wilhelm Steinhäuser auf.(5) Johannes und Henriette Steinhäuser lebten und arbeiteten in Laas im Vinschgau (Tirol), wo am 18. April 1875 die Tochter Maria Apollonia Silvia zur Welt kam.(6) Johannes Steinhäuser hatte seit 1863 die Marmor-Werke seines Vaters, des bekannten Bremer Bildhauers Carl Steinhäusers weitergeführt.(7) Um das Unternehmen aufrecht zu erhalten und notwendige Investitionen zu tätigen, war das junge Ehepaar auf finanzielle Unterstützung von Carl Steinhäuser und Georg Conrad Pacius angewiesen. Gegen Ende der 1870er Jahre spitzte sich die finanzielle Situation immer mehr zu. Wegen Zahlungsunfähigkeit wurden Zivilverfahren eingeleitet, ein Verfahren wegen einer Schuld von 30 Gulden auch gegen Henriette.(8) Steinhäusers gesamter Besitz wurde daraufhin gepfändet.(9) Von Laas übersiedelte das Ehepaar nach Düsseldorf, wo Johannes 1892 im Alter von 45 Jahren starb. Henriette zog nach Meran und betrieb ein Mädchenpensionat am Rennweg.(10) Am 4. Februar 1918 beantragte die Witwe Henriette Steinhäuser einen Reisepass für den Zielort Tirol, der ein Jahr gültig war.(11) Ihr Sterbedatum ist unbekannt.
Wilhelm Steinhäuser zeigt sein Modell von der Seite, so dass der Blick des Betrachters schräg über den Rücken und auf die Schulter der jungen Frau fällt. Den Kopf hat sie nach links gewendet, so dass sie im Dreiviertelprofil zu sehen ist. Ihr verträumter, aber offener Blick geht am Betrachter vorbei. Vor dem dunklen Hintergrund wird das ebenmäßige, weich modellierte Gesicht von links beleuchtet. Die Gesichtszüge wirken sehr jung, leichte Rotschattierungen verleihen ihr ein gesundes und frisches Aussehen. Die großen Augen und der volle Mund muten beinahe kindlich an. Der summarische Pinselstrich, der dem Gesicht einen weichen, jugendlichen Charakter verleiht und die Züge idealisiert, ist typisch für Steinhäusers Porträts jüngerer Modelle.(12)
Die junge Frau trägt ein dunkles langärmeliges Kleid, das am Halsausschnitt mit einer Brosche verziert ist und einen kleinen weißen Stehkragen mit einer Spitzenrüsche aufweist.(13) Es handelt sich um ein Gesellschafts- und Besuchskleid. Diese eher strenge Kleidung passt eigentlich nicht zum jugendlichen Aussehen der Porträtierten. Über den linken Arm und die rechte Schulter ist ein blau-violett changierender Umhang gelegt, ein wohl weniger modisches, sondern eher künstlerisches Requisit. Durch Licht- und Schattenmodellierung arbeitet Steinhäuser die Stoffbeschaffenheit heraus: Das Kleid scheint aus Samt, das schimmernde Umschlagtuch aus Seide gefertigt. Die Schnittgestaltung des Kleides war Ende der 1860er bis Mitte der 1870er Jahre in der Damenmode typisch. Das streng nach hinten gekämmte Haar mit schlichtem Knoten entspricht dagegen weniger der damaligen Mode, sondern ist möglicherweise Ausdruck puritanischer Gesinnung.
(14)
Aufgrund der modischen Details lässt sich das Bildnis in die Zeit der späten 1860er Jahre bis Mitte der 1870er Jahre ansetzen. Die historischen Umstände könnten diese
Einordnung präzisieren. So war Wilhelm Steinhäuser im Dezember 1870 Trauzeuge bei der Hochzeit seiner Nichte Henriette. Die dunklen Samt- und Seidenstoffe waren typisch für die Wintersaison. Bereits Anfang der 1870er Jahre zogen Henriette und ihr Ehemann nach Laas in Tirol, so dass das Bildnis möglicherweise im Winter 1870/71 nach der Hochzeit entstanden ist. Das Porträt diente als privates Erinnerungsbild, das über Jahrzehnte in der Familie weitergegeben wurde, bis es aus dem Nachlass von Betty Pacius, der Schwägerin der Dargestellten, in die Kunsthalle Bremen gelangte.(15)

Anke Schmidt-Staufenberg

(1) Im Gemäldekatalog der Kunsthalle Bremen wird das Porträt unter dem Titel Bildnis Wilhelmine Steinhäuser geführt. Vgl. Gerhard Gerkens / Ursula Heiderich: Katalog der Gemälde des 19. und 20. Jahrhunderts in der Kunsthalle Bremen, 2 Bde., Bremen 1973, S. 319. Damit könnte auch Wilhelm Steinhäusers Schwester Marie Friederike Wilhelmine gemeint sein (1829–1898). Ausgehend von der kostümhistorischen Datierung des Gemäldes in die Jahre zwischen 1869 und 1875 müsste die Schwester auf diesem Porträt 40 bis 46 Jahre alt sein. Das jugendliche Aussehen der Porträtierten spricht jedoch gegen diese Zuordnung, so dass es sich eher um Steinhäusers Nichte handelt.
(2) Passregister: Pacius, DIE MAUS, Gesellschaft für Familienforschung e.V. Bremen.
(3) Hansjörg Telfser: Marmor Spurensuche. Vinschgaus Marmor zwischen Kunst- und Spekulationsobjekt. Schlanders 2007, S. 39.
(4) Johannes Steinhäuser war später in Rom als Bildhauer tätig. Vgl. „Graue Mappe“ Steinhäuser und Pacius, DIE MAUS, Gesellschaft für Familienforschung e.V. Bremen; Harry Schwarzwälder: Versuch einer Darstellung vom Leben und Werk des Bildhauers Carl Steinhäuser 1813–1879, unveröffentlichtes Manuskript, Bremen 2004, S. 22, 37; Civilstandsregister Bremen 1847, Geburten, Staatsarchiv Bremen. Telfser 2007 (wie Anm. 3), S. 39f.
(5) Vgl. Telfser 2007 (wie Anm. 3).
(6) Sie beantragte am 2. September 1921 einen Reisepass für einen Aufenthalt in Österreich und Italien mit einem Jahr Gültigkeit. Als Herkunftsort der Passinhaberin wird Laas in Tirol angegeben. Vgl. Passregister, DIE MAUS, Gesellschaft für Familienforschung e.V. Bremen.
(7) Er war Inhaber der Tiroler Marmor-Industrie mit Marmorbrüchen, Säge-, Schleif- und Drehwerken sowie einem Atelier, in dem Schüler in der Zeichen- und Bildhauerkunst unterrichtet wurden. Telfser 2007 (wie Anm. 3), S. 28–45.
(8) Ebd., S. 41.
(9) Marmorblöcke im Lager, Schreibtische, Bettgestelle im Schlafzimmer und Eierbecher in der Küche wurden von Gerichtsbeamten geschätzt, ebd.
(10) Telfser 2007 (wie Anm. 3), S. 42.
(11) Vgl. Passregister, DIE MAUS, Gesellschaft für Familienforschung e.V. Bremen.
(12) Vgl. Steinhäusers Bildnisse von Appollonia Steinhäuser, Georg Conrad Pacius, Franz Wilhelm Steinhäuser und Frau Zieseniß in der Kunsthalle Bremen.
(13) Wir danken Frau Prof. Waltraud Dölp, Hochschule für Künste Bremen, für die kostümhistorischen Informationen.
(14) Die modischen Haarfrisuren der ausgehenden 1860er und beginnenden 1870er Jahre wurden im allgemeinen von Lockentuffs an der Stirn und Korkenzieherlocken oder herabhängenden Flechten am Hinterkopf bestimmt. Kostümhistorische Information von Frau Prof. Waltraud Dölp.
(15) Betty Roselius, Tochter des Lehrers Ludwig Wilhelm Roselius und dessen Frau Betty Stelling, war mit Carl Wilhelm August Pacius, dem Bruder der Dargestellten, verheiratet. Sechs Steinhäuser-Porträts aus ihrem Nachlass gelangten 1954 in die Kunsthalle Bremen.
Abmessungen
  • Objekt: 60 x 48,5 cm
Raum
nicht ausgestellt
Inventarnummer
675-1954/44
Permalink

Werkinformationen

Künstler

Wilhelm Steinhäuser (*Bremen 1817 - † Bremen 1903), Maler

Werk
Titel:
Bildnis Henriette Wilhelmine Steinhäuser
Entstehungsdatum:
um 1870
Grunddaten
Abmessungen:
  • Objekt: 60 x 48,5 cm
Werktyp:
Gemälde
Technik:
Öl auf Leinwand
Erwerbsinformation:

    1954

  • Vermächtnis Betty Pacius, geb. Roselius 1954
Provenienz
  • Henriette Wilhelmine Steinhäuser (28.11.1847) erworben vom Künstler
  • Pacius verwandt mit der Familie Steinhäuser
  • 7.4.1954 Betty Pacius
  • 1954 Kunsthalle Bremen - Der Kunstverein in Bremen Vermächtnis Betty Pacius, geb. Roselius
  • Creditline Kunsthalle Bremen - Der Kunstverein in Bremen, Foto: Karen Blindow, Public Domain Mark 1.0

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